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Bis zur Weihnachtszeit konnte ich "Santi" wirklich gut reiten - bis der ersehnte neue Sattel - endlich - da war. Stolz das Wunderwerk provencalischer Sattler aufgelegt, drei schmale Sattelgurte mittels Krawattenknoten angezogen und schon äußerte Santi Unwillen. Die traditionelle Gurtung schnürte wohl zu sehr ein.
Dann kam ich nur sehr unelegant in den hohen, wirklich atemberaubend mittelalterlich anmutenden Sattel, fühlte mich aber auf Anhieb sauwohl. Die Ausritte waren dann für mich wunderbar, für Santi weniger, sodass wir uns entschieden, eine Pferdetherapeutin zu fragen. Die stellte eine Blockade fest und war auch der Meinung, dass wir nach dem Sattel schauen lassen müssen, was am kommenden Freitag geschieht. Auch wurde ein breiter, bequemer Sattelgurt bestellt. Zur Zeit wird Santi erfolgreich von Heike gymnastiziert und mit einem Westernsattel geritten. Nächste Woche bin ich aber wieder dran und drauf!
Die Freunde, insbesondere die drei Quartiermeister Thomas, Hermann, Dieter und Helmut G. haben zur Anmietung eines Renault Pferdetransporters mit Wohnwagen-Anhänger für die fast fünftausend Kilometer Strecke geraten. Zur Diskussion steht die Anschaffung eines Wohnmobils mit (hier vorhandenem) Pferdehänger, was aber wieder den Verkauf im Sommer nach Rückkehr bedeuten müßte. Und dazu habe ich keine Lust. Also schauen wir mal.
Quartiermeister Thomas, der Theologe, will partout nichts einfach Gottes Fügung überlassen. Kaum zu fassen, aber wahr: Er hat jeden Kilometer von Schloß Veldenz an der Mosel bis Santiago de Compostela in Pferdeetappen von ca. 30 km pro Tag + ein Tag Ruhe pro Woche mittels "komoot -Wanderprogramm" ausbaldowert. Das mit großartiger Hilfe meines guten (4 von 5) Sohnes Lukas geleistete Werk ist folgendes:
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Unserer Vorbereitungen für den langen Ritt im Frühjahr haben einen ersten Höhepunkt erreicht. Und dies mit einer Reihe von Überraschungen.
Meinen Sommerurlaub konnte ich fruchtbar und furchtbar gut nutzen, meine Stute kennenzulernen. Um das Ergebnis vorweg zu nehmen: Es ist unglaublich, wie gut das Pferd mit mir zurecht kommt, auch vice versa.
Die Stunden Reitunterricht, die die Vorbesitzerin Heike in mich und meinen Hintern investierte, und es war deren Idee und kostenloses Geschenk, erwiesen sich als geniale Investition.
Drei Tage – erstes Abenteuer
Mittwoch, 22. August 9 Uhr Burghof von Schloß Veldenz.
Es fängt schon gut an. Christina und Lena mußten kurz vor dem Abritt absagen. Ein Tierarzt meinte, den geplanten Ritt über drei Tage mit fast 100 km quer durch den Hunsrück deren Pferden nicht zumuten zu wollen.
Ritter Herbert von Kimbelstein mit Kerry war vorsichtshalber schon am Dienstag mit Pferdehänger und voller Ausrüstung zum Schloß gekommen.
Edelknecht Paul von Neukirch brachte seine Araberstute Marijam mit meiner Santi schon am frühen Morgen noch bei relativer Kühle von der Koppel
und Junggraf Eberhard von Veldenz kam mit der Stute Davina zusammen mit dem Ritter.
Keiner der acht Beteiligten hatte zuvor mehrere Tage hintereinander in mittelalterlicher (Aus-) Rüstung von Pferd und Mann die avisierten ca.100 km zurückgelegt.
Ob das Zeug halten würde?
Das Satteln hatte ich inzwischen gelernt. Natürlicherweise gegenüber den drei Pferdeprofis mit doppeltem Zeitaufwand. Schließlich geht das Spiel, bei dem dich Alle beobachten, nicht nur um Pad, Sattel und Trense.
Da ist ein riesiges mit großen blauen Löwen appliziertes Stück Stoff der guten Santi passend anzuziehen. Das geht über dem A. des Pferdes problemlos. Die Dame genoß diesen Teil der Kuvertüre sichtlich, da Dame. Die Sorge, das Kopfstück des mittelalterlichen Pferdekleidungsstückes mit den vier Öffnungen für Augen und den großen Ohren würde erschrecken, war unbegründet. Nur das Aufsitzen vor dem Publikum mit dem viel zu schweren Dolch am Gürtel rechts und dem - relativ leichten - Eineinhalbhänder im breiten Rittergürtel links war nur nach gewissen Anläufen von Erfolg gekrönt. Schuld daran war natürlich Santi, die einfach nicht stehen wollte …
Immerhin sind wir Acht dann doch unter dem Beifall der vielen jungen Leute, die ihre Jugendfreizeit auf dem Schloß genießen, standesgemäß aus dem Tor geritten.
Ziel: Einladung der Veldenz-Stadt Lauterecken am Glan zur Feier der Einweihung des Veldenzschlosses am Freitag nebst 675 Jahre Stadtrechte und am Sonntag Veldenztag des Fördervereins Pfalz-Veldenz für die Bürger der Gemeinden des ehem. kleinen Fürstentums.
Also unsere Aufgabe war klar, wir sollten drei Tage später um 18 Uhr die, so war die anfängliche Planung, ca. 80 km geschafft haben.
Zur Mittagszeit waren wir angesagt in der Römersiedlung Belginum (Gemeinde Morbach) gegenüber der Wasserburg (sic!) des Kurfürsten Balduin von Trier, direkt an der Hunsrückhöhenstrasse.
Der wolkenlose veldenzblaue Himmel entließ, sich Stunde um Stunde unaufhaltsam steigernd, eine unbarmherzige Sonne. Die meist nicht geteerten schattigen Waldwege wurden schon deshalb den Feldwegen vorgezogen.
Dank der Milde der drei geübten Reiter verblieb der kleine Trupp entweder im Schritt oder im Trab. Santi bevorzugte ständig die schnellere Gangart, ich die andere Alternative. Wir einigten uns aber gütlich.
Mein Mittelaltersattel wird z. Zt. in der Camargue angefertigt und soll in sieben bis acht Wochen fertig sein.
Ariane Ryniak kümmert sich so liebenswürdig um jedes Detail, vom Anpassgitter für Santi bis zur meiner Beinlänge.
Der jetzt noch von Heike ausgeliehene Westernsattel stört mich wegen des Sattelknaufes, der an John Wayne erinnert. Dennoch komme ich gut zurecht, auch mit dem ungewohnten Sitzkomfort. Schließlich sind wir keine Wanderreiter, sondern Ritter ….
Die Mittagspause im Schatten nach dem freundlichen Empfang der Belginum-Museumsleute mit viel Wasser tat Allen gut. Unsere Pferde konnten grasen und wir razzen. So langsam lerne ich auch den schnellen Halfter/Trensentausch, während ich die Spannung des Sattelriemens immer noch Paul überlasse. Letzteres bringt allerdings nach Stunden und gelegentlichen kurzen Galoppaden regelmäßig den Beweis, dass seine Pferdeliebe meinem Komfort vorzugehen scheint, ich muß ständig die Waage über die Steigbügel halten. Am zweiten Tage habe ich dann ein engeres Loch im Gurt gesucht - und gefunden, ohne dass Santi sich beschwert hätte oder abends beim Absatteln etwas aufgefallen wäre.
Darüber schmunzeln die drei Ritter natürlich, sind aber äußerst milde zu mir.
Ich zu denen aber auch, weil ich das unsichere Gefühl hatte, dass wir irgendwie die Direttissima um ein paar Meter in dem nicht ganz übersichtlichen Gelände verfehlt hatten. Das kleine Manko wurde mir dann abends mit spanischem Weißwein kompensiert.
Grand maleur: Des Junggrafen Roß Davina lahmte etwas.
Hufschmied Paul sah sich beim nächsten Halt die Vorderhufe an. Tatsächlich waren beide Eisen verbogen. Der steinige Forstweg von eben hatte seinen Tribut gefordert. Ruck zuck klemmte Paul sich die Vorderläufe der Stute zwischen die Beine, alte Nägel raus, an einem Baumklotz mit einem größeren Stein die Eisen zurechtgekloppt und mit neuen Nägeln (aus einem mitgebrachten geheimen Kästchen) wieder angeschlagen. Und weiter ging´s.
Die Hottenbacher Mühle bot für Roß und Mann nach 30 km und sechs Stunden im Sattel wunderbare Unterkunft für die erste Nacht.
Selbst die blauweissen Kuvertüren sahen alle noch gut aus, nur der eine oder andere Haltebendel am Sattel war gerissen. Und ich konnte noch ohne Hilfe (mit Schwert) absteigen!
Zweiter Tag:
Ziel war ein Reiterhof in Weiler bei Monzingen über der Nahe.
Quartiermeister Paul mit dieser Araberstute meist vorneweg, dann der Graf mit Santi und dann, glücklicherweise und immer wieder hilfreich, der Ritter nebst Junggraf. Auf abenteuerlichen Wegen, Furten, Steigen und bis zum Nachmittag klugerweise Bundesstrassen meidend, unser Öffnungsrecht für Schloß Dhaun verschmähend, dafür einen fetten Umweg über das schöne St. Johannisberg goutierend, ist es wieder Ritter Herbert, der die Einladung einer attraktiven Blonden in einem kleinen Dorf zu einer komfortablen Rast organisiert. Letzte Rettung bei jeder Menge Hitze für Roß und Reiter! Die freundlichen Reaktionen von unserem Anblick überraschter, meist weiblicher Autofahrer relativierten sich dann leider einige Kilometer auf der B 41 Richtung Bad Sobernheim. Nicht ganz unschuldig war auch Paul, der rechter Hand den Araber führte und linker Hand Minou, eine junge bildhübsche Malinois-Hündin, die mit ihrer schwarzen Schnauze und riesigen Ohren während des gesamtes Rittes entweder vor uns den Weg erkundete oder, akrobatisch, inmitten der sechzehn Pferdeläufe herumlief. Wieder gegen fünf Uhr konnten wir unser Quartier in Weiler beziehen und wurden - wieder - mit einem guten Abendessen verwöhnt.
Davon abgesehen, dass Paul die Pferde morgens dann um 6 Uhr versorgen mußte, was niemand ihm aufgetragen hatte, konnten wir nach einem tollen Frühstück zur letzten Etappe, dem dritten Tag satteln.
Unsere lieben Pferde hatten erstaunlicher Weise, so wie erträumt, die ungewohnten Strapazen überstanden. Ritter, Junggraf und Edelknecht und ich fühlten uns wohl, nur leichter Muskelkater, von Wolf selbst bei mit keine Spur, dafür Lampenfieber bei dem vereinbarten Einritt um Punkt 6 Uhr in der sicherlich festlichen Veldenz-Stadt Lauterecken. Anstelle der geplanten kürzesten Etappe mit ca 25 km wurden es dann 35 km. Morgens Regen und den neuen Reitermantel zurückgelassen, weil mein Ritter in Veldenz nur die Augen verdrehte. Dieser Herr schützte dann sich und seinen Wappenrock mit einem ebenso lächerlichen wie effektiven Poncho aus Plastik!
Mittags war der Regen vergessen, die Sonnenuhr aber bereits weiter fortgeschritten, als geplant. Also verzichteten wir und die Pferde auf die Mittagsrast und ritten, dann im zunehmenden Sonnenschein zügig weiter - bis inmitten von Wald und Dornengebüsch der wirklich enge Weg vor unüberwindlichen Treppen endete. Und jetzt mit vier Pferden zurück oder wenden oder was? Wie nicht anders zu erwarten machten Paul, Herbert und Eberhard im steilen Hang auf der Stelle kehrt - und ich stand da mit der guten Santi wie bestellt und nicht abgeholt, entweder in den Dornen bergseitig landend oder links den steilen Hang abrutschend! Ritter Herbert stieg ab und erbarmte sich meiner. Unvergesslich. Nach bestimmt 4 km zurück lief es dann aber so gut, dass wir rechtzeitig, wie wir meinten, wenn auch ziemlich verdreckt, verschwitzt und auch erschöpft ins Glantal gelangten. Die letzte Wegstrecke gemütlich neben der Draisine trotteln, mal traben und nur pünktlich ankommen.
Und dann passierte es, vielleicht 3 km in Sichtweite der Stadt.
Um seinen Araber zu schonen (?) pflegte Paul, der Hufschmied, gelegentlich sein Pferd zu führen. Paul ist recht gut zu Fuß, erinnert mich an den 5 km Schnitt der mir bekannten Santiago-Pilger, also recht forsch. Und dann versuchte Paul aufzusteigen. Paul, der fast täglich reitet konnte das ausweichende Pferd nur mit Mühe halten - und versuchte es dann mit Schwung. Marijam wich aus und knallte mit dem dem hinteren linken Lauf gegen just den Felsblock, den Paul nutzen wollte. Sie mußte dann bis in die Stadt geführt werden, lahmte aber nur anfangs.
Nicht zu fassen, aber wahr,mit dem sechsten Glockenschlag gelangten wir zum Neuen Schloß. Sogar Paul war glücklich wieder aufgestiegen.
Nach 100 km und drei Tagen im Sattel pünktlich am Veldenzplatz angekommen erwarteten uns die Gräfin und der gräfliche Haushalt, also Christa, Rosi, Heinz, Knappe und fröhlich winkend viele wild fofografierende Lauterecker - indes null Fanfare, kein Bürgermeister, etwas verspätet ein Dezernent, null Grafentrunk, nichts für Reiter, und Pferde sowieso nicht.
Unsere Sonnenuhr mußte dann am Wochenende mit der von Lauterecken erst synchronisiert werden, dann klappte es aber. Unser Glücksgefühl, die Premiere des Santiago Abenteuers vom Grundsatz her gemeistert zu haben und dieses Veldenz-Wochenende mit vielen geschichtsbegeisterten oder zumindest -interessierten Menschen feiern zu dürfen ist geblieben. Darüber und das Übrige dieses Wochenendes werden wir mit den übrigen Protagonisten in den nächsten Tagen bei einem guten Riesling noch bequatschen. Es geht also voran.
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Santiago de Compostela Sonntag, 31.03.2019 bis Sonntag, 30.06.2019
Die Protagonisten sind:
- Pferde:
- die Stute des Grafen Esmeralda (genannt: Santi), 13-jähr. Andalusier-Quarter-Horse,
- Herr Ritter Herberts turniererfahrene Stute Kerry, 19 Jahre jung,
- des Edelknechtes Paul Marijam, 6 Jahre alte Stute, Vollblutaraber, + Minou (Hund)
- Packpferd Maja, 7 Jahre alte Stute, eine Knabstrupperin
- Personen:
- Dr. Gilbert Haufs-Brusberg (70), Rechtsanwalt in Trier. Die Familie besitzt Schloß Veldenz an der Mosel. Ruine der Stammburg der Grafen von Veldenz seit 1107. Der Pilgerzug nach Spanien zu Pferd nimmt den Ritt des Grafen im Mittelalter zum Anlass in (weitgehend) authentischer Gewandung sein Versprechen, den Grund der Pilgerreise einzulösen, am Ende der beruflichen Karriere zu danken. Dies in der Art und Weise eines Ritters im 13. Jahrhundert. Also natürlich nach Santiago de Compostela.
- Herbert Pütz (55), von Beruf: Ritter. Unter der Bezeichnung „Ritter von Kimbelstein“ professionell auf Turnieren und Mittelaltermärkten unterwegs. Immer auf der Flucht vor schönen Maiden. Eng mit Pferden verbunden und für keine Schandtat seines niederadligen Standes zu schade. Einem Ondit zufolge wird er es mit der Absolution in der Kathedrale zu Santiago am schwersten haben.
- Paul Neukirch (60), ohne ihn sicher kein Ritt in 90 Tagen über 2473 km im April durch Kälte und Regen mitten durch Frankreich. Heute Kastellan und Hufschmied auf Schloß Veldenz, früher franz. Fremdenlegionär, ausgebildeter Pferdewirt, das absolute Pendant zur sprichwörtlichen Treue der Grafen von Veldenz.
- Vorhut: Quartiermeister Thomas Juncker, studierter Theologe, verdingte sich als Schreiber beim Bischof von Trier, leitete von Bonn aus wichtige Medien der deutschen katholischen Bischöfe und beendete nunmehr seine stolze Karriere bei dem Erzbischof von Köln. Kein Reiter, aber immerhin als Kutscher geeignet, wird Thomas den Pilgern nebst Pferden in Frankreich das nächtliche Quartier vorbereiten. Dies mit einer saftigen Wiese nebst Hafer und einer standesgemäßen Herberge mit ausreichendem vin rouge ordinaire.
- Dieter Erdmann, welterfahrener ehem. erfolgreicher Rennfahrer (Avus), Besitzer eines Autohauses in Trier, löst Thomas in Limoges ab. Er ist gewohnt, unlösbare Verkehrsprobleme mittels eines fast 10 m langen fahrbaren Hauses zu lösen. Deshalb ist die Aufgabe der Quartierbeschaffung in den Pyrenäen und dem „Camino Francés“ bis Santiago inkl. Schleppen des (Not-) Pferdehängers für ihn ein einfaches Unterfangen.
- Familie:
Christa, die Gräfin und fleißige Damen, Frauen, Mägde und Leibeigene (sind zur Zeit ausgegangen) stützen dies aventure durch Jubel beim Einritt vor dem „Hostal des Reyes Católicos“ in Santiago und dem anschließenden Gottesdienst mit dem größten Weihrauchfass der Fall. Auch den Fahrdienst durch Frankreich und Spanien mit Pferdehänger werden die mutigen Amazonen bewerkstelligen.
So unser Plan. So Gott will, am Sonntag, 31.03.2019, um 09:00 Uhr von Schloß Veldenz ab nach Santiago, Reisesegen inklusive.
Heute in einem Jahr werden wir mit, auf oder neben unseren Rössern bereits mitten in Spanien sein. Wohl in Sichtweite der Autobahn geht oder läuft der Pilgerweg bei Liverdun an der Mosel entlang zu meiner (heimlichen) Lieblingsstadt Toul. Nach den mit Hilfe des Internets ausgearbeiteten Tagesritt-Plänen müsste die Kathedrale am 12. Tag erreicht sein. Ich freue mich schon auf die langen Gesichter der Damen des Tourismus-Büros links vor der Kathedrale. Dort beabsichtige ich unsere Rösser, wohlwissend um die „Folgen“, anzubinden.
Im Frühjahr habe ich mich verliebt: „Santi“ ist eine 13-jährige Quarter-Stute aus der Grafschaft. Der Hufschmied meinte nur, er kenne seit Jahren ein Pferd, das für den „alten Grafen“ und 2.376 km Weg durchaus geeignet sei. Und genau diese stolze Stute stände nunmehr zum Verkauf auf einem Bauernhof, wenige Minuten vom Schloß entfernt!
Heike, die Besitzerin, hat das Pferd selbst gezüchtet und aufgezogen. Gute Papiere, sogar etwas Andalusier und Araber in der Familie, ausgeglichen und charakterlich zuverlässig.
Am Sonntag habe ich mich dann auf das rostbraune Ross gesetzt und mal angefühlt, ob das was werden könnte. Hilfen und Befehle sind anders, die eines Distanzpferdes, d. h. sie läuft einfach stur so, wie der letzte Befehl lautete, hört, für eine Frau ungewöhnlich, „auf´s Wort“ und macht dennoch einen aufmerksamen Eindruck… Gesagt, getan! Jetzt kommt noch der Pferdedoktor für den TÜV und dann kann es losgehen. Heike hat sich erboten mir einige Stunden Reitunterricht für dieses spezielle Distanzpferd zu geben. Ich freue mich!
Der „Sternenweg nach Santiago de Compostela“ beträgt von Schloß Veldenz aus, dem historischen Pilgerweg folgend, exakt 2.376 km:
Veldenz – Trier – Metz – Toul – Vézelay.
Alsdann über die Lemovicensis von Vézelay weiter über
Bourges – Limoges – Périgueux
bis zur französischen Grenze an den Pyrenäen nach
St. Jean Pied de Port.
Diese Stadt ist nach Vézelay der zweite große Treffpunkt für die Pilger. Für uns sind das dann 61 Tagesritte mit 1.595,5 km ab Veldenz!
Roncesvalles – Pomplona – Logrono – Burgos – Leon – Astorga – Santiago
Nach Roncesvalles, wo ich den Helden Roland anzutreffen hoffe, geht es auf dem 1.200 Jahre alten Camino Frances dann (geplante) 30 Tagesritte auf 704 km nach Santiago.
In Burgos werden wir „natürlich“ versuchen in historischer Kleidung zur Kathedrale zu reiten. Natürlich werde ich alle guten Ratschläge und dringende Hinweise, Pferde seien aus Sicherheitsgründen verboten missachten und in der Kathedrale als erstes das Grabmal des Cid aufsuchen und ich werde es mir nicht nehmen lassen, falls ich ein Blumengeschäft nebst Rose erwische, an dem Grabmahl meines Jugendidols eine Blume niederzulegen.
Spätestens ab Navarra (Pamplona) dürften sich die Voraussagen bewahrheiten, wonach der Ritt durch die französischen Provinzen wegen der immer auffindbaren freundlichen Bauernhöfe – und sogar Reiterhöfe - relativ problemlos sei. Nunmehr, wegen der Suche nach abendlichen Unterkunftsmöglichkeiten für die Pferde, deren Verpflegung, dem regelmäßig „eintretenden“ Bedarf eines Hufschmieds dürfte es etwas schwieriger werden. Kurzum: Mein verehrter pensionierter Amtsrichter aus dem Hunsrück und die wunderbare Margit Rumpl 1, rieten, spätestens ab jetzt, die abendlichen Quartiere für Pferd und Reiter rechtzeitig zu suchen – und gewisse Enttäuschungen einfach in Kauf zu nehmen.
Und überhaupt, von Margit Rumpl habe ich gleichsam hautnah bereits jetzt die Dinge erfahren, die uns erwarten werden, wie Voltaren, Lexikon, Taschenlampe, Flöhe bis zum Schüttelfrost. Indes: Immer kommt Hilfe, ganz einfach Gott vertrauen!
Leon, nach Burgos ein „must“ träume ich „against all odds“ durch die Fußgängerzone bis zur Kathedrale zu reiten, einem Polizisten die Zügel in die Hand drücken, im veldenzischen Wappenrock die Kathedrale betreten, die Königsgruft hinuntersteigen, 23 Monarchen (!) besichtigen um dann aber, endlich, den Heiligen Gral zu verehren! Dabei bin ich mir sicher, dass Doña Urraca den Kelch, aus dem (mein) Jesus trank, dem 11. Jahrhundert in der realen Basilica de Saint Isidoro deponierte. Mein (heimlicher) Höhepunkt der Pilgerreise!
Leon: Margit Rumpl war keine „praktizierende Christin“, wie sie sagt, kommt aber zu (unserem) Gott von Missgeschicken (sie verreitet sich gelegentlich) über „kleine Wunder“ zu Erkenntnissen, die den Horizont weit übersteigen. Mein persönlicher Ausgangspunkt ist wie Ihr wisst, nicht der, meinem Jugendhelden nahe zu sein, auch nicht der historische Anlass, wenn auch spannend genug:
Die spannende Geschichte „unserer Ruine“, Schloß Veldenz wird seit der Erforschung der Familiengeschichte der Grafen von Veldenz2 um viele Geheimnisse bereichert. Im Juni 1257 brach Graf Gerlach V mit einer Reichsgesandschaft nach Spanien auf. Er hatte König Alfons dem Weisen die Krone des Heiligen (Römischen) Reiches deutscher Nation, leider in unübersichtlichen Reichsverhältnisses gewählt, anzubieten.
Nach dessen Aufbruch im Juni 1257 wurde in der Literatur romantisch verklärt, der arme Graf habe die Geburt seiner Tochter Agnes, der Erbgräfin, nicht mehr erlebt, er sei von diesem Ritt nach Spanien nicht wieder nach Deutschland zurückgekehrt.3
Nunmehr taucht eine Urkunde vom 03.08.1258 auf, wonach der tot Geglaubte eine Schenkung verfügt. Keine Frage, dass Gerlach wie (fast) jeder gläubige Christ im Mittelalter von Toledo aus über den Camino de Levanta weitergezogen ist nach Santiago. Mit der Verehrung der Reliquien Jacobs´ des Älteren, indem man die Muschel auf die Kleidung aufnäht, „erreitert“ er sich das „Eintrittsbillett“ in den Himmel. Als Schlachtenhelfer in Clavijo 844 gegen die Mauren ist Jacobus auf einem weißen Pferd reitend wie St. Georg ein Ritterheiliger. Undenkbar, dass sich die Mitglieder der Reichsdeputation Santiago entgehen ließen.
So Gott will werde ich diese Gedanken am Morgen des 92. Tages nach Veldenz auf dem Monte do gozo durch den Kopf schießen lassen. Oder auch nicht mehr, weil nach mittelalterlichen Brauch ein paar Kilometer zuvor in diesem (heute wohl dreckigen) Fluss im Angesicht von Santiago die Füße zu waschen und alsdann die Stadt barfuß zu betreten sei! Wie das mit unseren Pferden gehen soll weiß ich auch noch nicht.
Der Platz vor unserer Herberge „Parador Hostal dos Reis Catholicos“, vor der Basilika ist angeblich für Pferde gesperrt (vor 10:00 Uhr morgens?). Den Zugang zu den Hostal werden wir als „Ritter“ schon aushandeln. Außerdem sind wir von einem Veldenzer letztes Jahr schon (mit Pferden!) angekündigt.
Wie und unter welchen Umständen, bevorzugt natürlich in der abgewetzten historischen Kleidung, noch mehr bevorzugt unter Begleitung möglichst vieler Freunde zum Pilgergottesdienst, so wie oft tränenreich beschrieben, überlasse ich dem lieben Gott. Sollte es sich so ereignen, wie herbeigesehnt, dann sind wir nach 92 Tagesritten unserem Gott sicher ein Stück näher gekommen.
1. Margit Rumpl, Auf nach Santiago, eine Frau allein mit ihrem Pferd. 3.100 km von Österreich nach Santiage de Compostella!, ISBN 978-3-85022-652-3 ↩
2. Crollius, Georg Christian, Vorlesung von dem ersten geschlecht der alten Grafen von Veldenz und dessen gemeinschaftliche abstammung mit dem älteren Wildgraven im Nahegau, Mannheim 1770 ↩
3. Scholl, Ernst, Anm. zur älteren Linie der Grafen von Veldenz (1127 bis 1259), Graf Gerlach V. starb nicht auf dem Zug nach Spanien zu König Alfons X. von Kastilien in Westricher Heimatblätter, September 2009 S. 135 ff. ↩