Das waren 24 Stunden. Lieber Gott, bitte nicht mehr so geballt!

1. Die Nachricht vom Brand der Notre Dame Kathedrale in Paris hat uns beide hier im ländlichen Herzen Frankreichs wirklich mitgenommen. Diese Kirche ist für mich das Herz des mittelalterlichen Christentums, meines Glaubens an unseren Herrn. Und dann das absolut überflüssige Nazi-Zitat aus der Le Monde. Auch wenn was stimmt, ist es stillos, es zu sagen oder zu schreiben. Das Herz Europas blutet.

2. Horror-Nacht in Beine: Gegen 22 Uhr lautes Klopfen und Rufen. Minou rastet aus. Wir beide auf, in die Stiefel und raus. Brennt es? Draußen im Licht der Taschenlampen zwei LKWs und eine Menge Leute. Paul behält die französische Ruhe. Santi war unbemerkt ausgebrochen und hatte sich durchs Dorf zu ca. 5 km entfernten Verwandten gemacht. Die Unruhe dort fiel auf, auch ein unbekanntes Pferd. Gut, dass kein Hengst dabei war. Da sich unsere Anwesenheit neben dem Friedhof in Windeseile herumgesprochen hatte, versammelte sich alles bei uns inklusive Pferdetransporter mit dem Ausbrecher. Santi wurde ausgeladen und in den undichten Paddock zurückgeführt.

Der herzliche Dank bei der Gutsbesitzerin, „J’ai aussi des chevaux et je connais ...“ mit Wangenküsschen und einem Kistchen „Veldenzer Schloßberg“ beendeten diese Affäre. Geld lehnten auch diese Leute indigniert ab. „Et hätt noch mal jut jejangen!“

3. Heute morgen in Auxerre den obligatorischen Stempel bei der Touristinformation in aller Frühe abgeholt. Früh ist bei den Franzosen 9 Uhr. Endlich Gelegenheit in der riesigen Kathedrale Saint-Etienne ganz allein zu sein. Für ein paar Minuten allein mit dem, dem ich von Herzen Dank sagen muss. Hätte, hätte, Fahrradkette.

4. Der Ritt zur letzten Station vor Vézelay hätte nicht schöner sein können, bis ...

Erst an der Yonne entlang. Dann ziemlich anstrengender Anstieg, für Santi. Dann bei Accolay in das wunderschöne Tal der Cure mit langen Trabstrecken den jetzt zuverlässig mit der gelben Muschel ausgezeichneten Pilgerweg – ohne Pilger – immer westward ho! Und natürlich super Sonne! Zur Linken endlich mal eine herrschaftliche Wasserburg, mit Pferdehaltung. Santi spitzte längst die Ohren, bevor ich etwas bemerkt hatte. Im letzten Dörfchen vor dem Etappenziel Arcy-sur-Cure versperrte ein rot-weißer Schlagbaum unseren gemeinsamen Vorwärtsdrang. Scheibenkleister, denn das bedeutet Absteigen und bis zum nächsten Baumstamm zu Fuß laufen. Und das bei dem fortschreitenden Verschleiß meiner Stiefel:

 

Dann passiert es. Bei dem Versuch, es zu versuchen, schüttelt Santi heftig ihr schönes Haupt und schlägt mir die Brille von der Nase, die in hohem Bogen im Blättergestrüpp verschwindet. Der Ärger gilt mir selbst: Zu bequem, die Kontaktlinsen anzuziehen, zu warm, den Helm aufzusetzen, zu ungeduldig den nächsten Baum/ die kommende Bank abzuwarten. Und dann ging’s los. Blind wie ein Maulwurf zunächst das ungeduldige Pferd zurück, keinen Schritt tun, da akute Bruchgefahr. Ich auf die Knie und den Tatort-Quadratmeter abgetastet – nichts. Santis Nothalfter gesucht, gefunden, an einen Baum festgemacht. Jeder Schritt gefährlich. Die Flugbahn der Brille berechnet, falsch natürlich, auf die Knie und zwei Quadratmeter des Weges abgegrast, mit den Fingern durchgekämmt. Dass ein Pilger mir helfen würde blieb frommer Wunsch. Wenigstens regnete es nicht, die strahlende Sonne über den Baumgipfeln lachte mich aus. Gefühlte schweißtreibende 20 Minuten durchpflügte ich einem Trüffelschweinchen gleich vergeblich den Waldboden. Wenigstens blieb Santi ruhig. Ein Anruf bei Paul, der in Arcy-sur-Cure schon auf mich wartete, mit Abendessen und Liege, und schon war er da. Ich bin den Weg zurückgegangen, da sonst nicht anzufahren. Bei der Kirche von Bessy-sur-Cure haben wir dann das Pferd problemlos eingeladen und wir beide machten uns auf die verzweifelte Suche nach der Brille. Kaum zu glauben, aber wahr, liebe Christa, ich, jawohl ich, fand nach kurzer Suche, ausgestattet mit MA-Ersatz-Brille, das Ding, natürlich ganz woanders, als vermutet. Juhu!